Unendlich heterosexuelle Weiten. Homosexualität in Star Trek

Dieser Online-Artikel ist im Vergleich zu meinen gleichnamigen Veröffentlichungen in Invertito. Jahrbuch für die Geschichte der Homosexualitäten (1.1999, S. 114-122) und Queer Magazin (Nr. 2, Juli 2000, S. 8-9) aktualisiert und stark erweitert. Für Vorträge und Medienberichte bitte die Unterdatei auf der rechte Seite anklicken.

Star Trek – in Deutschland besser bekannt unter dem Namen Raumschiff Enterprise – ist die kommerziell erfolgreichste Science-Fiction-Serie der Welt. Die Weltraumabenteuer der mittlerweile fünf unterschiedlichen Crews werden in mehr als 100 Ländern ausgestrahlt. Star Trek besteht vor allem aus den Serien Classic (Cl, 79 Folgen, 1966-1969), The next Generation (TNG, 178 Folgen, 1987-1994), Deep Space 9 (DS9, 175 Folgen, 1993-1999), Voyager (Voy, 172 Folgen, 1995-2001) und Enterprise (Ent, 98 Folgen, 2001-2006). Nach dem großen Flop des letzten Ablegers Enterprise wurde von Paramount bekannt gegeben, dass keine weiteren Fernsehserien mehr produziert werden. Nach mehr als 700 Folgen ist Star Trek als Fernsehserie damit Geschichte. Kinofilme, deren Zielgruppe wesentlich mehr an Action-Szenen interessiert ist, werden weiterhin produziert. Im Mai 2013 soll der 12. Kinofilm mit dem Titel Star Trek Into Darkness in die Kinos kommen, der die Handlung des elften Kinofilms fortführt. Der Erfolg der Serie stellte sich nicht sofort ein. So wurde die Pilotfolge von Classic zunächst abgelehnt und Classic und TNG erst mit einigen Jahren Verspätung Publikumsmagneten. Trotzdem wurde Star Trek Kult. (Die Zeichentrickserie Die Enterprise – 22 Folgen, 1973-1974 – wurde ausschließlich für Kinder konzipiert und hat Homosexualität nicht behandelt.)

Einiges deuten darauf hin, dass es unter den Star Trek Fans – den sogenannten Trekkies – überdurchschnittlich viele schwule und lesbische Fans gibt. Dazu zählt die Präsenz von sogenannten Slash-Stories, Fangruppen u.ä. Es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, der Frage nachzugehen, woher diese Begeisterung für die Serie rührt. Dabei mögen der Pop-Art-Kitsch der Classic-Serie, körperbetonte Uniformen, eine philosophische Akzeptanz aller Lebensformen wie auch die Betonung der solidarischen und freundschaftlichen Familie außerhalb familiärer Bindungen eine Rolle spielen.

Von Anbeginn der Serie in den 60er Jahren haben sich die Produzenten einer Star Trek-Philosophie verpflichtet gefühlt. Zu den in der Serie mit einem moralisch Anspruch präsentierten Grundsätzen gehört neben der Nichteinmischungs-Direktive, die jeden Einfluss auf eine andere Kultur verbietet, auch die Toleranz gegenüber allen Lebensformen. Es soll in diesem Artikel untersucht werden, ob der Umgang mit Homosexualität dem propagierten Toleranzangebot entspricht. Was mich an diesem Thema fasziniert ist nicht nur die Frage, wie ein Mainstream-Medium mit Homosexualität umgeht, sondern auch wie phantasievoll und facettenreich Homosexualität variiert werden kann. Sie bietet Möglichkeiten, die eine Fernsehserie, die in der Gegenwart verortet ist, bei weitem nicht bieten kann.

Die hier erläuterten Szenen sind im Verhältnis zur Gesamtproduktion natürlich fast unbedeutend. Aber aufgrund der Bedeutung von Star Trek kann man davon ausgehen, dass viele heterosexuelle Zuschauer aus diesen unauffälligen Randbemerkungen und leisen Zwischentönen gelernt haben, wie sie Schwule und Lesben einzuschätzen haben. Paramount hat hier – unbewusst – schwule und lesbische Filmgeschichte mitgeschrieben.