Star Trek – Classic
In der Classic-Serie werden lesbische Identität und Sexualität wurden vollkommen ausgeblendet. Es gibt Fans, die eine Szene im Pilotfilm als lesbisch interpretieren. Nach der Äußerung von Captain Pike über Frauen in der Sternenflotte, sagt dieser zu der ersten Offizierin Sie sind irgendwie anders, woraufhin diese verärgert reagiert. Dies als lesbische Szene zu interpretieren, halte ich für übertrieben. Bei der seltenen, dazu noch verschlüsselten und versteckten Thematisierung männlicher Homosexualität werden Klischees verwendet. In stereotyper Darstellung werden z.B. zwei effeminierte männliche Figuren präsentiert. So wird der Verkäufer von Tribbles (kleine Pelztierchen) (Cl 44) mit affektierten Gesten, Schmuck an den Fingern und abgespreizten kleine Finger dargestellt. Es entspricht auch einem Klischee, dass sich Schwule – wie hier der Verkäufer – aus einer Prügelei zwischen Männern heraushält. Diese Prügelei-Szene muss in Verbindung mit dem Umstand gesehen werden, dass gerade in Classic heterosexuelle Männlichkeit über einen raueren körperlichen Umgang definiert wurde. (Dass die Tribbles von Pille als bisexuell bezeichnet werden, ist nur ein Beispiel für eine oberflächliche Übersetzung. Im US-amerikanischen bedeutet bisexuell in diesem Zusammenhang zweigeschlechtlich und stellt keine Hinweis auf eine sexuelle Orientierung dar.) 1968 gibt es mit dem Gesandten Petri (Cl 68) die zweite Klischeetunte. Seine affektierten Gesten und die nasale Stimmlage sollen ihn offenbar als Schwulen zu erkennen geben. Ähnlich dem Tribble-Verkäufer entspricht auch der Gesandt Petri dem Stereotyp des Homosexuellen. Er kann sich nicht gegenüber einer Frau durchzusetzen und erst Captain Kirk – als richtiger Mann – hilft ihm in dieser Auseinandersetzung. Der Verkäufer und der Gesandt Petri sind Witzfiguren. Sie entsprechen der üblichen Darstellung der 60er und 70er Jahre von Homosexuellen im US-amerikanischen Film, den sogenannten Sissys. Die Verwendung von homosexuellen Stereotypen folgte bei der Anlage der jeweiligen Rollen keinem klaren, stringenten Konzept. So trägt der Frauenheld Harry Mudd einerseits sehr feminin wirkende Ohrringe (Cl 9), gibt sich dann aber homophob, wenn er auf eine Anspielung von Captain Kirk, schwul zu sein, mit den Worten reagiert: Wofür halten sie mich denn? Sowas lehne ich strikt ab (Cl 37). Trotz dieser homosexuellenfeindlichen Äußerung sollte derselbe Schauspieler in der Rolle des Harry Mudd den oben erwähnten Tribble-Verkäufer (Cl 44) spielen.
Das als weiblich angesehene Verhalten eines Mannes wird nicht in jedem Fall als stereotypisches Verhalten für Homosexuelle eingesetzt. In der Folge Gefährlicher Tausch (Cl. 79) nimmt Janice Lester den Körper von Kirk an. Der Grund für den Körper- und damit für den Rollentausch ist, dass Janice Lester als Frau keine Karriere in der Sternenflotte machen kann. Indem sie die körperliche Gestalt von Kirk annimmt, erhält sie die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten zu beweisen. Feminine Verhaltensweisen – die bei Männern als schwul wahrgenommen werden können – werden dabei dezent eingesetzt. Obwohl sich Kirk die Nägel feilt, sich galant durchs Haar streicht, sehr zögerlich einen Mann an der Schulter berührt und hysterisch herumkreischt, wirkt es kaum schwul. Die Thematisierung von Geschlechterstereotypen und Geschlechterrollen stand hier im Fokus.
Das Verhältnis des Trios Kirk, Spock und Pille ist meistens freundschaftlich und herzlich. In einer Szene spricht Pille von Kirks Liebe zu Spock (Cl 29), in der die liebevolle zwischenmenschliche Äußerung ehrlich gemeint war. Andere Kommentare arbeiten mit Ironie und spielen auf Homosexualität zur Belustigung an. In einer Szene äußert sch Pille gegenüber Kirk zu Spocks Verhalten: Hast du gesehen, wie verliebt Spock ihn angesehen hat? Den Computer, nicht den Doktor (Cl 53). Auch einzelne Anreden wirken sehr intim, wenn z.B. Kirk seinen 1. Offizier Spock mit Hallo Süßer, komm setz dich anredet (Cl 46). Chefingenieur Scotty kommentiert die Ausgehuniform von Pille mit den Worten: Sie sehen ja zum verlieben aus (Cl 77). In solchen Fällen bewirkt ein ironischer Unterton eine abwertende Einstellung zur Homosexualität. Im fünften Kinofilm (Am Rande des Universum, 1989) wird sowohl in der Szene am Lagerfeuer als auch in der Schlussszene betont, dass Kirk, Spock und Pille füreinander die fehlende Familie ersetzen. Aber als Kirk Spock in Gegenwarte von Klingonen umarmen will, antwortet dieser übertrieben abwehrend: Ich bitte sie Captain, nicht vor den Klingonen. Die Presse griff aus nachvollziehbaren Gründen in diesem Zusammenhang Gerüchte über die angebliche Homosexualität von Kirk, Spock und Pille auf (Die Zeit 12.10.1990; WAZ 29.02.1992; SZ-Magazin 6.3.1992, Sonntag aktuell 27.6.1993). Die Bezeichnung als böse Gerüchte (WAZ, Sonntag aktuell) kann als homophobe Einstellung der Journalisten interpretiert werden. Der sechsten Spielfilm (Das unentdeckte Land, 1991) geht aber wieder deutlich in eine andere Richtung. Ein formwandlerisches Wesen, mit dem Kirk als Frau offenbar Sex hatte, verwandelt sich in ein (männliches) Ebenbild von Kirk. Nach dem Kommentar: Kann kaum glauben, dass ich Dich geküsst habe, kommt es zu einer Schlägerei. Weder in der Serie, noch in den Spielfilmen, die mit dieser Crew gedreht wurden, gibt es eine emanzipatorische Darstellung von Homosexualität. Kommentare und Äußerungen wirken wie dumme und klischeehafte Witze.
Dennoch hat es diese Serie geschafft, auch Jahrzehnte später noch Kult zu sein. Der Schauspieler George Takei – der Darsteller von Sulu – bekannte sich im Oktober 2005, mit 68 Jahren, erstmals öffentlich zu seiner Homosexualität, die unter seinen Fans schon lange ein offenes Geheimnis war, um die Forderungen nach der Homo-Ehe zu unterstützen. Am 14. September 2008 heiratete er seinen Lebenspartner. Seine früheren Filmkollegen Nichelle Nichols (Uhura) und Walter Koenig (Chekov) waren seine Trauzeugen. Nach Star Trek übernahm Takei u.a. Gastrollen in diversen Serien. In The Big Bang Theory (4/4) übernahm er eine Gastrolle, bei der auch auf seine Homosexualität eingegangen wurde. In einigen Folgen der Simpsons war er ebenfalls Synchronsprecher, ohne dass es jedoch dabei um seine Homosexualität ging. In der Serie Drawn Together wurde anhand von George Takei ironisch betont, dass die Weltraumfahrt Asiaten zu Schwuchteln macht (3/1).
In der deutschen Comedy-Sketch-Show Bully-Parade (1997-2002) wurde Star Trek Classic regelmäßig als schwule Mannschaft parodiert. Der Erfolg dieser Episoden führte zu der Kinokomödie (T)Raumschiff Surprise – Periode 1, die unter der Regie von Michael "Bully" Herbig entstand und im Juli 2004 in die deutschen Kinos kam.